RECHTSREFORM zum „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“

Nach Inkrafttreten einer neuen Designrichtlinie und einer Änderungsverordnung des europäischen Parlaments und des Rates am 8. Dezember 2024 werden zum 1. Mai 2025 und zum 1.07.2026 Änderungen im „Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht“ eingeleitet. Die Änderungen sollen das Verfahren effizienter und transparenter machen, während unnötige Bürokratie entfällt.

Wir dürfen die für Sie wichtigsten Änderungen, welche in einer ersten Phase am 1. Mai 2025 in Kraft treten, nachfolgend vorstellen:

  1. Der Begriff „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ wird geändert zu:

Unionsgeschmacksmuster“ (auch: EU-Geschmacksmuster)

  1. Der Begriff „Geschmacksmuster“ beschreibt die „Erscheinungsform“. Die Erscheinungsform schließt künftig ausdrücklich Merkmale „der Bewegung, der Zustandsänderung oder jeder anderen Art der Animation dieser Merkmale“ ein. Animationen konnten mit grafischen Darstellungen schon bisher geschützt werden, nun sollen auch andere Formen der Darstellungen verwendet werden können.

  1. Der Erzeugnisbegriff wird erweitert, um ausdrücklich nicht-physische Gegenstände aufzunehmen. Dabei wird klargestellt, dass jeder industrielle oder handwerkliche Gegenstand, ausgenommen Computerprogramme, ein Erzeugnis sein kann, unabhängig davon, ob er in einem physischen Objekt verwendet wird oder eine nicht-physische Form annimmt. Es sind nun also auch digitale Formen dem Designschutz zugänglich.

Die Liste, welche veranschaulicht was ein Erzeugnis ist, umfasst nun zudem ausdrücklich:

        1. Zusammenstellungen von Waren,

        2. räumliche Anordnungen von Gegenständen, wenn Sie einen Innenraum oder Außenraum bilden sollen, wobei an dieser Stelle beispielhaft auf die Darstellung eines Flagshipstores von Apple im Rahmen einer internationalen 3D-Markenregistrierung 1 060 321 zu Imaginationszwecken hingewiesen werden soll:

        1. Einzelteile, die in einem komplexen Erzeugnis zusammengesetzt werden sollen, sowie

        2. grafische Arbeiten oder Symbole, Logos, Oberflächenmuster und grafische Anwender Schnittstellen.

  1. Die neue Rechtsvorschrift besagt, dass Designmerkmale nur dann geschützt werden können, wenn sie in der Anmeldung sichtbar dargestellt werden. Allerdings müssen die Designmerkmale nicht während der gesamten Nutzung des Produkts sichtbar sein, um Schutz zu erhalten.

Eine Ausnahme gilt für „Bauteile komplexer Produkte“: Diese müssen im normalen Gebrauch sichtbar bleiben, um geschützt zu sein – etwa der Stoßfänger eines Autos, wobei das Auto das sog. „komplexe Erzeugnis“ darstellt.

  1. Inhaber von EU-Geschmacksmusterrechten können nun – ähnlich wie im Markenrecht – verhindern, dass gefälschte Produkte durch die EU transportiert oder dort zwischengelagert werden, selbst wenn sie nicht für den Verkauf in der EU bestimmt sind.

Diese Regelung ist auf Fälle der Produktpiraterie beschränkt, bei denen ein identisches Design verwendet wird oder ein Design, das sich in seinen wesentlichen Merkmalen nicht von dem eingetragenen Unionsgeschmacksmuster unterscheidet.

  1. Neben der physischen Nachahmung eines geschützten Designs ist es nun auch verboten, digitale Dateien oder Software zu erstellen, herunterzuladen, zu kopieren oder zu verbreiten, die zur Herstellung einer Nachbildung des Designs genutzt werden könnten.

Das bedeutet: Wenn jemand zum Beispiel eine 3D-Datei erstellt oder teilt, mit der eine Kopie eines geschützten Designs per 3D-Drucker nachgebaut werden kann, verstößt das gegen die neuen Schutzregeln. Damit wird verhindert, dass gefälschte Produkte nicht nur durch klassische Herstellung, sondern auch durch digitale Technologien verbreitet werden.

  1. Das Recht aus einem Unionsgeschmacksmuster hat bestimmte Grenzen. Es gibt Fälle, in denen andere das Design nutzen dürfen, ohne dass der Rechteinhaber es verbieten kann.

Zwei neue Ausnahmen wurden hinzugefügt:

        1. Es ist erlaubt, das EU-Geschmacksmuster zu verwenden, wenn es nötig ist, um ein Produkt als Original des Rechteinhabers zu kennzeichnen oder sich darauf zu beziehen.

        1. Die Nutzung des EU-Geschmacksmusters ist auch erlaubt, wenn es für Kommentare, Kritik oder Parodien verwendet wird.

Diese Änderungen sorgen dafür, dass das Recht nicht zu streng angewendet wird und in bestimmten Fällen eine Nutzung weiterhin erlaubt bleibt.

  1. Durch ein EU-Geschmacksmuster geschützte Erzeugnisse können ab 01. Mai 2025 eine Kennzeichnung tragen, die aus dem Buchstaben „D“ in einem Kreis besteht:

Ⓓ.

Dies schärft das Bewusstsein für den Schutz durch Dritte und erleichtert die Vermarktung des Produkts. Wichtig ist, dass das Unionsgeschmacksmuster eingetragen ist (nicht nur angemeldet).

  1. Ersatzteile bzw. Bauteile von komplexen Produkten (z. B. Stoßstangen von Autos oder Gehäuse von Lampen) erhalten keinen Designschutz, wenn sie ausschließlich für Reparaturzwecke verwendet werden, um das ursprüngliche Aussehen des Produkts wiederherzustellen.

Dies gilt nur, wenn das Erscheinungsbild des Ersatz- bzw. Bauteils direkt vom Gesamtprodukt abhängt. Das heißt, es betrifft nur „formgebundene Bauteile“ (sog. must-match Teile), die für die Optik des Gesamtprodukts entscheidend sind.

Regeln für Ersatzteilhersteller:

Sie müssen gegenüber dem Abnehmer klar angeben, von wem das Ersatzteil stammt (z. B. durch ein Herstellerlogo), so dass auf die abweichende Herkunft deutlich hingewiesen wird.

Aber: Sie sind nicht dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass die formgebundenen Teile wirklich nur für Reparaturen genutzt werden.

  1. Änderungen bei Einreichung und Prüfung des EU-Geschmacksmusters:

        1. Anmeldung nur noch direkt beim EUIPO

            • Anmeldungen können nicht mehr über nationale Ämter eingereicht werden.

        2. Zahlung der Anmeldegebühr ist Voraussetzung für den Anmeldetag

            • Die Anmeldung erhält erst dann ein Datum, wenn die Gebühr bezahlt wurde (spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung).

        3. Keine physischen Proben mehr

            • Physische Muster können nicht mehr eingereicht werden.

        4. Lockerung der Regeln für Sammelanmeldungen

            • Ein Sammelantrag darf Designs aus verschiedenen Klassen enthalten, wobei die maximale Anzahl der Designs pro Sammelanmeldung auf 50 beschränkt wird.

        5. Änderungen bei aufgeschobener Veröffentlichung

            • Die Aufschiebung der Bekanntmachung von Designs um bis zu 30 Monate ist weiterhin möglich. Die Bekanntmachung kann aber nicht mehr durch Nichtzahlung der Bekanntmachungsgebühr geheim gehalten werden.

            • Wer ein Design nicht veröffentlichen will, muss es während der Aufschiebungsfrist aktiv zurückziehen, spätestens drei Monate vor Ablauf der Aufschiebungsfrist einen Verzichtsantrag stellen.

        6. Höhere Verlängerungsgebühren & geänderte Fristen

            • Verlängerungsfristen für Designs wurden an die Regeln für Unionsmarken angepasst.

            • Gebühren für die Verlängerung steigen mit jeder weiteren Schutzperiode, um nur genutzte Designs im Register zu halten.

  1. Neue Gebührenhöhe und neue Gebührenstruktur

          1. Neue Gebührenstruktur

            • Die Eintragungs- und Bekanntmachungsgebühr werden in einer einzigen Anmeldegebühr zusammengefasst.

            • Sammelanmeldungen erhalten eine Pauschalgebühr pro zusätzliches GeschmacksmusterMengenrabatte entfallen.

          1. Änderungen der Gebührenhöhe

            • Erhöhung der Verlängerungsgebühren.

            • Einführung neuer Gebühren für:

                • Weiterbehandlung von Verfahren,

                • Änderung eines eingetragenen Designs.

            • Reduzierte Gebühren für:

                • Zusätzliche Geschmacksmuster in Sammelanmeldungen (in gewissem Umfang),

                • Anträge auf Nichtigerklärung & Beschwerden.

          1. Abgeschaffte Gebühren

            • Keine Gebühren mehr für:

                • Verspätete Zahlung der Eintragungs- oder Aufschiebungsgebühren,

                • Rechtsübergänge, Löschung von Lizenzeintragungen oder anderen Rechten,

                • Akteneinsicht und Auskunftserteilung,

                • Ausstellung beglaubigter und unbeglaubigter Abschriften.

  1. Weitere Änderungen betreffen die Nichtigkeit und gerichtliche Zuständigkeit

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10. Februar 2025
Vanessa Bockhorni
Patentanwältin

Quellen:

  • VERORDNUNG (EU) 2024/2822 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Oktober 2024 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2246/2002 der Kommission

  • RICHTLINIE (EU) 2024/2823 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Oktober 2024 über den rechtlichen Schutz von Designs (Neufassung)

  • EUIPO Design Legal Form Info-PDF