Zurzeit beschäftigt sich die Patentwelt mit zwei Beschlüssen der für die Eingangs- und Formal-prüfung europäischer Patentanmeldungen zuständigen Eingangsstelle des Europäischen Patentamtes, welche zwei Patentanmeldungen wegen formaler Mängel in der Erfinderbenennung zurückgewiesen hatte.
Bei beiden Anmeldungen wurde eine künstliche Intelligenz, die sogenannte DABUS Creativity Machine, als Erfinder benannt. Die Maschine hatte die Neuheit ihrer eigenen Idee selbst festgestellt. Da die Idee patentrechtlich verwertbar erschien, erschien dem Besitzer der Maschine auch eine Anmeldung zum Patent möglich, wobei ehrlicherweise die Maschine als Erfinder zu benennen sei.
Die Eingangsstelle des EPA sendete zunächst einen negativen Formalbescheid aus und lud dann zur mündlichen Verhandlung.
In der mündlichen Verhandlung vertrat die Anmelderin im Grunde die Meinung, dass künstliche Intelligenzen als Erfinder zu akzeptieren sein müssten, damit das Patentregister keine Falschaussage enthalte. Würde man künstliche Intelligenzen dagegen gar nicht als Erfinder akzeptieren, dann wären diese Erfindungen entgegen den Artikeln 52 bis 57 des EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, was vom Gesetzgeber wohl nicht gewollt sein könne.
Die Eingangsstelle wies die Anmeldungen aus formalen Mängeln zurück. Sie berief sich auf die Artikel 81 und Regel 19 (1) EPÜ, welche vorschreiben, dass der Erfinder zu benennen ist und, falls der Anmelder nicht der Erfinder ist, ein Statement abzugeben ist, wie das Recht am Europäischen Patent auf den Anmelder übergegangen ist. Laut Eingangsstelle verlange Regel 19 (1) EPÜ einen Vornamen, einen Nachnamen und eine volle Adresse, was durch die Maschine DABUS nicht gegeben sei. Der Erfinder habe außerdem eine Vielzahl von Rechten, die nur eine natürliche Person ausüben könne. Zu einer Patentanmeldung gehöre ein natürlicher Erfinder und es müsse für jeden möglich sein, die Erfinderschaft und den Übergang der Erfindung vom Erfinder auf den Anmelder anzufechten, was bei Nichtabgabe einer Erfinderbenennung oder Abgabe einer unkorrekten Erfinderbenennung nicht möglich wäre. Laut Eingangsstelle könne auch ein Übergang des Rechts im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht angenommen werden, da Maschinen nicht angestellt seien, sondern allenfalls besessen würden. Zwar könne der Besitzer einer künstlichen Maschine die Arbeitsergebnisse der Maschine besitzen, aber man müsse Besitztum bzw. Eigentum von der Frage der Erfinderschaft trennen. Dies würde auch international einhellig so vertreten, beispielsweise in China, Japan, Korea und den USA. Keines dieser Länder hätte bisher ein künstliches System oder eine Maschine als Erfinder anerkannt.
Aus unserer Sicht war die Entscheidung des Europäischen Patentamts vorhersehbar. Dass eine Prüfungsabteilung vorprescht und eine künstliche Intelligenz als Erfinder zulässt, war eigentlich kaum denkbar. Allerdings eröffnen diese Verfahren nun eine Debatte, zumindest in Fachkreisen und möglicherweise auch darüber hinaus. Die Frage ist dabei nicht, ob zurzeit und unter den aktuellen gesetzlichen Voraussetzungen eine künstliche Intelligenz Erfinder sein kann. Vielmehr wird nun diskutiert, ob und wie in Zukunft Arbeitsergebnisse von künstlichen Intelligenzen geschützt und bewertet werden können. Dass die Arbeitsergebnisse einer künstlichen Intelligenz patentrechtlich verwertbar sein können, steht dabei wohl außer Frage. Aber es sollte zum Beispiel geklärt werden, wie viele Anteile etwa der Besitzer einer Maschine, derjenige, der die Maschine zum Zeitpunkt der Erfindung bedient hat, derjenige, der die Maschine programmiert hat oder auch ein Trainer eines neuronalen Netzes typischerweise an der Erfinderschaft haben.
In den beiden Fällen wurde Beschwerde eingelegt. Mit Entscheidung der Beschwerdekammer ist in ca. 2 bis 3 Jahren zu rechnen – wir sind gespannt.
EPA Beschlüsse zu EP 1 818 161.0 und EP 1 816 909.4
12. Mai 2020
Thorsten Brüntjen
Patentanwalt